top of page
  • AutorenbildHeimat Verein

Das Geheimnis des Wullbrinks in Lienen




Von Dr. Christof Spannhoff


Bei der Benennung von Straßen und Wegen wird häufig auf örtliche Flurnamen zurückgegriffen. Durch die amtliche Festschreibung bleiben diese so auch für die Nachwelt erhalten. Das ist eine gute Praxis, denn viele Flurnamen bieten für die jeweilige Ortsgeschichte wichtige Hinweise oder haben spannende Geschichten zu erzählen. Das zeigt auch das Beispiel des Lienener Flur- und Straßennamens Wullbrink.

Die ursprüngliche Flurbezeichnung ist mit dem häufig anzutreffenden niederdeutsche Wort Brink gebildet, das eine große Bedeutungspalette aufweist. Es kann sowohl ‚Rand, Ackerrain, Grenzland‘ als auch ‚Hügel, Grenzhügel, Abhang, erhöhte Rasenfläche, Grasanger, Weide‘ oder ‚unbebautes Land, Gemeindeplatz‘ bedeuten. Johann Aegidius Klöntrup (1755–1830) definiert den Brink 1798 in seinem Osnabrücker „Rechtswörterbuch“ nicht nur als einen ‚kahlen Hügel‘, sondern als ‚überhaupt ein ungebauetes Land‘. Auch das „Idioticon Osnabrugense“, ein vom Osnabrücker Gymnasialrektor Johann Christoph Strodtmann (1717–1756) 1756 verfasstes Wörterbuch der Osnabrücker Mundart, erklärt das Wort Brinck wie folgt: „1) ein Hügel. Davon heissen einige hiesige Berge Osterbrink, Westerbrink u.s.f. […] 2) Ein Fleck Landes, das weder umgegraben, noch umgepflügt wird, es mag Gras darauf stehen, oder nicht. Daher nennt man auch einen Grasanger Brink. […].“ Auch im Tecklenburger Land wird mit Brink oft ein Hügel oder eine Anhöhe bezeichnet, wie auch der Lienener Sienebrink zeigt. Dieser Befund passt auch zum Wullbrink, der früher ebenfalls eine Geländeerhebung benannte, die aber später durch Sandabbau verschwunden ist.

Doch was steckt im ersten Teil des Namens? Was meint das Wull-? In seiner 1889 verfassten Kirchenchronik berichtet der Lienener Pfarrer Wilhelm Kriege (1829–1913), dass sich auf dem Wullbrink nach der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9. n. Chr. Reste des römischen Heeres verschanzt haben sollen, bevor sie von den Einheimischen endgültig niedergemacht wurden. Der Wullbrink wird hier also als eine Art „Wallbrink“ gedeutet. Die Erzählung ist sicherlich nicht alt, sondern gehört in das nationalromantische 19. Jahrhundert, als der Sieg der Germanen über die Römer breit rezipiert wurde. Man denke nur an das monumentale Hermannsdenkmal bei Detmold, das vor dem gleichen patriotischen Hintergrund zwischen 1838 und 1875 entstand.

So wie die Geschichte von den sich verschanzenden römischen Soldaten eine Sage ist, kann aber auch die Erklärung des Wullbrinks als „Wallbrink“ in das Reich der Legende verwiesen

werden. Denn die ältesten Belege weisen in eine ganz andere Richtung. In einem Verzeichnis der Kirchenländereien aus dem Jahr 1672 notierte der damaligen Pfarrer Alhard Theodor Snethlage unter Nr. 21: „Wulffe Brinck 3 Scheffelsaat“. Damit ist mit Sicherheit das Gebiet des heutigen Wullbrinks gemeint. 1676 wird ein Stück Ackerland auf dem „Wulffen Brinck“ verkauft. Durch diese Belege sind aber alle anderen Erklärungen der neueren Heimatforschung hinfällig, die nur von der Form Wull- ausgehen. Die schwer zu sprechende Abfolge von vier Konsonanten -l-, -f-, -b-, -r- (Viererkonsonanz) in der Bezeichnung „Wulfbrink“ hat dann dazu geführt, dass das -f- ausgestoßen wurde, um die Aussprache zu erleichtern. So wurde aus dem Wulffe-, Wulffbrink schließlich der Wullbrink. Eine ähnliche lautliche Entwicklung finden wir im Ortsnamen Wullen bei Witten, der um 1220 noch „Wolfdale“ heißt, um 1412 dann „Woldail“, um 1420 „Wolvesdail, 1486 „Wulden“.

Im ersten Teil des Namens Wulffe Brinck/Wullbrink steckt also eindeutig das niederdeutsche Wort wulf für den ‚Wolf‘. Zu vergleichen ist der Name Wulverliet in Westerkappeln, der 1580 in der Personenbezeichnung „Wessel in der Wulvelith“, 1621 als „Wulfelieth“ (beide noch ohne -r-) vorkommt. Es stellt sich nun allerdings die Frage, ob mit dem Lienener Flurnamen Wulffe Brinck/Wullbrink das Raubtier aus der Familie der Hunde, Canis lupus, gemeint ist oder eine Pflanze namens Wulf oder Wülfkes. So wurde nämlich früher im Osnabrücker und Tecklenburger Land mundartlich das Wollgras (Eriophorum) bezeichnet wegen der langen Blütenhüllfäden der Früchte, die wie Wattebäusche aussehen und an das Fell des Tieres erinnern. Für den Lienener Flurnamen Wulffe Brinck/Wullbrink dürfte die Waagschale allerdings zugunsten Isegrimms ausschlagen, denn in einem weiteren Kaufvertrag aus dem Jahr 1676 ist auch von in der Nähe (im Ostern-Esch) gelegenen „Wulffen Bäumen“ die Rede. Bei diesen wird es sich um eine Baumgruppe gehandelt haben, in der zum Zweck des Fangens von Wölfen sogenannte Wolfsangeln befestigt wurden. Mit Ködern umwickelt hängte man diese besonderen Eisenkonstruktionen mit drei oder vier spitzen Haken so hoch in die Bäume, dass der Wolf danach springen musste. Im Maul öffneten sich dann die Haken oder das Tier blieb mit dem Gaumen an einem Zacken hängen. Das an der Wolfsangel hängende Wolf verendete dabei meist qualvoll.

Dass es in Lienen bis mindestens ins 17. Jahrhundert Wölfe gegeben hat, belegt die Bestrafung der Lienener Bauern Upmeyer und Schulte-Uffelage in Dorfbauer mit der Abgabe von drei Scheffeln Hafer, weil sie zu spät zur Wolfsjagd erschienen waren. 1668 entließ Graf Mauritz von Tecklenburg die Bürger der Stadt Tecklenburg aus der Verpflichtung zur Teilnahme an den Wolfsjagden in Lienen. Eine frühe Lienener Wolfsjagd ist bereits für 1472 belegt.


Bildunterschrift

Wullbrink.jpg

Wölfe springen nach Ködern an den Wolfsangeln, die in einen Baum gehängt wurden. Abbildung aus dem „Dictionnaire de toute espèce de chasses“ von 1811 (Lexikon aller Jagdarten).

bottom of page