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Eigenständiges Kattenvenne?

Vor 100 Jahren wollte der Ortsteil unabhängig werden






Von Dr. Christof Spannhoff


Eine eigene politische Gemeinde Kattenvenne – das war der Traum von 14 Ortsansässigen, die vor 100 Jahren, am 24. Juli 1920, einen entsprechenden Antrag beim Tecklenburger Landrat stellten. H. Hußmann junior, Fr. Schmedt auf der Günne, A. Dellbrügge, Ernst Konermann, Fr. Teckenbrock, Fr. Wiemann, Wilhelm Heemann, Fr. Bertelt, Fr. Jasper, R. Dölling, August Kruse, F. Fahrenhorst, Fr. Kriege und August Hooge unterzeichneten das Schriftstück. Bei ihnen handelte es sich um eine Kommission, die kurz zuvor von einer „Volksversammlung“ zur Gründung einer eigenständigen politischen Gemeinde Kattenvenne eingesetzt wurde. Im Antrag heißt es: „Im Jahre 1887 wurde die Kirchengemeinde Kattenvenne gebildet. Dieselbe setzt sich zusammen aus Gebietsteilen der Gemeinde Lienen, Lengerich-Land und Ladbergen des Kreises Tecklenburg. Die Einwohnerzahl der Kirchengemeinde Kattenvenne betrug auf Grund der Personenstandsaufnahme aus dem Jahre 1918 rund 1700 Seelen, welche sich wie folgt auf die einzelnen vorgenannten Gemeinden verteilen: 1. Gemeinde Lienen 1100, 2. Lengerich-Land 570, 3. Ladbergen 30, zusammen 1700. Die abgelegene Lage der oben bezeichneten Gebietsteile von ihren Muttergemeinden, welche im Mittel 7 bis 9 km beträgt, machte die Bildung einer eigenen Kirchengemeinde zur zwingenden Notwendigkeit. Ältere und kränkliche Leute mußten bei diesen weiten Wegen auf den Kirchenbesuch verzichten, totkranke ohne die letzten Tröstungen der Kirche in vielen Fällen dahinscheiden. Diese Übelstände, welche zur Gründung einer eigenen Kirchengemeinde führten, machen sich in noch viel stärkerem und nachteiligem Maße bei der Zivilverwaltung dieser Gebietsteile bemerkbar. Die weiten Wege nach dem Sitz der Gemeinde bezw. Amtsverwaltung in Lienen, Lengerich und Ladbergen erfordern bei den immer mehr sich steigernden Aufgaben auf den einzelnen Verwaltungsgebieten, namentlich in sozialen Angelegenheiten, dringend eine Änderung des heutigen Zustandes. […] Die gesamte Einwohnerschaft der Kirchengemeinde Kattenvenne, sowohl der kleinere als größere Landwirt und vor allen Dingen die Arbeiterklasse drängen auf eine Lösung der Frage durch die Bildung einer eigenen politischen Gemeinde Kattenvenne, deren Grenze damit der Kirchengemeinde zusammen fällt.“ Die Antragsteller gaben an, dass durch den 1873 errichteten Bahnhof Kattenvenne und die ausgebauten Kreisstraßen nach Lienen und nach Ladbergen das Gebiet auch eine wirtschaftliche Einheit bilde. Zudem habe Kattenvenne als Verkehrszentrum die Bedeutung der Ortschaften Lienen und Ladbergen längst überholt. Für eine politische Eigenständigkeit Kattenvennes spreche außerdem, dass es elf Gemeinden im

Kreis Tecklenburg gebe, die an Fläche und Einwohnerzahl unter der der Kirchengemeinde Kattenvenne lägen. Die Lebensfähigkeit der Gemeinde Lienen, auf deren Kosten die neue Kommune Kattenvenne vorwiegend entstehe, würde nicht sonderlich beeinträchtigt, argumentierten die Initiatoren. Da allerdings von den Kattenvennern keine belastbaren Zahlen hinsichtlich der Verteilung von Schul- und Soziallasten sowie die Umschichtung der Steuereinnahmen eingebracht werden konnten, verlief die Sache letztlich im Sand. Fünfzehn Jahre später (1935) wurde das Vorhaben nochmals aufgegriffen, aber 1936 ebenfalls zurückgestellt, weil die meisten Kattenvenner Einwohner im Fall einer Selbständigkeit höhere Abgaben befürchteten. Ein drittes Mal lebte die Diskussion 1948 auf. Das Ansinnen auf Eigenständigkeit wurde aber zwei Jahre später (1950) von den zuständigen Gremien endgültig abgelehnt. Diese Entscheidung war von Weitsicht der Beteiligten geprägt, denn spätesten mit der Kommunalen Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen zwischen 1966 und 1975 wäre die Eigenständigkeit Kattenvennes sicherlich wieder aufgehoben worden.


Bildunterschrift

Das Titelblatt der Akte zur Bildung einer eigenständigen Kommune Kattenvenne im Gemeindearchiv Lienen.

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