top of page
  • AutorenbildHeimat Verein

Neubauern waren nicht gern gesehen





Von Dr. Christof Spannhoff


„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, heißt ein Sprichwort, das ursprünglich aus Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“ (1804) stammt. Und der Dichterfürst hatte für dieses Urteil seine Mitmenschen anscheinend genau beobachtet. Denn selbst zu seiner Zeit ereigneten sich in ganz Deutschland Dinge, die man unter dieses geflügelte Wort stellen kann. Auch in Lienen waren sich die Menschen vielfach nicht grün. Vor allem zwischen Bauern und Personen der unterbäuerlichen Schichten kam es häufig zu Konflikten – insbesondere, wenn die sogenannten Heuerlinge eine eigene Wirtschaft gründen wollten. Die Möglichkeit dazu eröffnete der preußische Staat, indem er das Anlegen von „Neubauereien“ auf Gemeinheitsland förderte. Allerdings hatten die Neuansiedler einen schweren Stand. Teilweise wurden sie sogar zur Aufgabe durch ihre bäuerlichen Nachbarn gedrängt, die um ihre wirtschaftlichen Ressourcen in der Allmende fürchteten. Die gemeinen Güter verringerten sich nämlich durch neue Mitnutzer. Was man dem anderen gönnt, fehlt einem am Ende selbst, war das Denken der damaligen Mangelgesellschaft. Daher griffen die Altbauern zu oftmals drastischen Maßnahmen, wie folgende Beispiele verdeutlichen:

1776 hatte Johann Wilm Voß, der zuvor den Hof Uthmann im benachbarten Glandorf gepachtet hatte, diesen nun aber verlassen musste, vom Bauern Bertelt in der Lienener Bauerschaft Meckelwege sieben Scheffelsaat Land (etwa 8.750 Quadratmeter) erworben, um eine „Neubauerei“ einzurichten. Damit rief er allerdings die anderen Meckelweger Bauern auf den Plan, die Einspruch bei Landrat und Regierung gegen dieses Vorhaben erhoben. Dabei schreckten sie offenbar auch nicht vor Verleumdung zurück, indem sie vorbrachten, Voß habe „gestohlene Waren“ bei sich untergebracht und verkauft. Man bezichtigte ihn also der Hehlerei. Als das nichts nutzte, zerstörten die Meckelweger den von Voß eingezäunten sogenannten „Zuschlag“ (also aus der Gemeinheit „zugeschlagenes“ Land). Letztendlich akzeptieren die Altbauern allerdings den Neuen. Voß konnte sein Haus bauen und seine Äcker bestellen.

Anders erging es hingegen dem Neubauern Arnold Upmeier, der 1787 ebenfalls in Meckelwege ein Haus errichten wollte und dazu eine Fläche „wüsten Grundes“ von sechs Scheffelsaat (also ca. 7.500 Quadratmeter) bei Lührmanns Wiese auf der Haar erworben hatte. Er war zuvor seit 1779 Heuerling beim Meckelweger Bauern Schäfer gewesen, mit diesem aber in Streit geraten, gekündigt worden und hatte sogar einen Räumungsbefehl vom Lienener Polizeiführer Snethlage erhalten. Daraufhin wollte Upmeier einen eigenen kleinen Hof

gründen. Er versetzte eine Scheune, die er anscheinend zuvor selbst bei seiner vormaligen Heuerstelle errichtet hatte, in die Meckelweger Gemarkung, stellte dort seine Bettstelle sowie sonstigen Sachen auf und umwallte drei Scheffelsaat Land, das er mit Bäumen bepflanzte. Dieses Vorgehen war allerdings den Bauern Johann und Gerd zum Dothagen, die etwa eine halbe Stunde Fußweg von Upmeiers neuer Wohnung entfernt lebten, ein Dorn im Auge. Zusammen mit den Bauern Heemann, Altekruse, Bertelt und Christoffer rissen sie am 20. März 1787 die Scheune nieder und zerstörten Bettstelle nebst Hausrat. Obwohl Upmeier dem preußischen König diesen Vorgang mitteilte und um die Anweisung einer anderen Neubauernstelle gleicher Größe bat, scheint ihm die Lust, in Lienen zu leben, doch wohl vergangen zu sein. Denn seine Spur verliert sich seit diesem Vorfall.

So einfach, wie sich die preußische Regierung das Anlegen neuer Hofstellen zur Urbarmachung wüster Flächen und zum Ausbau des Landes sowie der damit bezweckten Erhöhung der Steuereinnahmen in der Theorie vorstellte, war das Ganze in der Praxis nicht, sondern scheiterte oftmals an den „bösen Nachbarn“ als Akteuren in diesem Prozess.


Bildunterschrift

Neubauern.jpg

Noch 1828 war die Meckelweger Mark, die Gemeinheitsfläche der Bauerschaft, weitgehend unkultiviert, wie der Urkataster ausweist.

Foto: Sammlung Spannhoff

Comments


bottom of page