Eröffnung der Bahnstrecke Münster–Osnabrück war Geburtsstunde des Ortes Kattenvenne
Von Dr. Christof Spannhoff
Es begab sich vor genau 150 Jahren: Am 1. September 1871 wurde das Teilstück Münster–Osnabrück der Bahnstrecke (Paris–)Venlo–Hamburg eröffnet. Dieses Ereignis war auch gleichzeitig die Geburtsstunde des heutigen Ortes Kattenvenne. Denn zuvor stellte Kattenvenne nur eine Lienener Bauerschaft unter anderen dar – mit verstreut liegenden Gehöften, aber ohne ein eigentliches Zentrum. Erst durch die Bahnverbindung und den Bahnhof entwickelte sich ein Ortsschwerpunkt, der schon 1887/88 ein eigenes Gotteshaus erhielt. 1889 entstand die eigenständige Kirchengemeinde Kattenvenne. Doch der Weg dahin war keineswegs geradlinig oder gar vorhersehbar:
Auf dem Urmesstischblatt von 1841 ist das Kattenvenner Gebiet noch von Moor und Heide geprägt. Foto: Sammlung Spannhoff.
Bereits 1861 – nur 26 Jahre nachdem die erste Dampfeisenbahn in Deutschland 1835 ihren Betrieb auf der Strecke Nürnberg–Fürth aufgenommen hatte – war ein Komitee für den Bau einer Eisenbahnstrecke (Paris–)Venlo über Münster nach Bremen und Hamburg gegründet worden. Diese sollte das Ruhrgebiet mit der Nordsee verbinden und den Warentransport vom niederländischen Rheinzoll unabhängig machen. Noch ohne irgendeine Konzession für die Anlage zu besitzen, erfolgten seit dem Spätsommer 1862 erste Vermessungsarbeiten. Erst am 28. Mai 1866 wurde der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft dann die Genehmigung erteilt, eine Bahntrasse zwischen dem niederländischen Venlo über Wesel und Münster bis nach Osnabrück zu bauen und zu betreiben. Die eigentlichen Arbeiten vor Ort begannen im Jahr 1868. Man begann zeitgleich an den beiden Endpunkten in Osnabrück und Münster. In Lengerich wurden dann die beiden Teilstücke verbunden, nachdem der Tunnel durch den Teutoburger Wald im August 1871 fertiggestellt worden war. Am 1. September 1871 erhielt die Strecke schließlich die Freigabe für den öffentlichen Verkehr.
Der Bahnhof Kattenvenne um 1900. Foto: Sammlung Jens Taßemeyer.
Allerdings stand keineswegs von vornherein fest, dass die Gleise auch wirklich durch Kattenvenne gelegt werden sollten. Mehrere Alternativen standen zur durchaus hitzig geführten Diskussion, denn andere Kommunen waren ebenfalls sehr an der Anbindung an die Bahn interessiert. Die Städte Telgte und Iburg befürworteten eine Streckenführung durch ihre Orte. Der seinerzeitige Tecklenburger Landrat, Freiherr Ludwig von Diepenbroick-Grüter (1804–1870, seit 1831 Landrat), der auf Haus Marck bei Tecklenburg wohnte, wünschte die Verbindung über Ladbergen durch die Basshake und Leeden nach Osnabrück zu führen. Auch durch das Bocketal bei Brochterbeck gedachte man die Trasse zu legen, weil hier der Höhenzug angeblich am einfachsten zu überwinden gewesen sei. Selbst bis nach Greven, um eine Verbindung zum schiffbaren Teil der Ems zu schaffen, leitete man die Trasse gedanklich. Letzten Endes wurde sich aber für den kürzesten und kostengünstigsten Verlauf entschieden, der – trotz Tunnelbaus – über Lengerich erfolgte.
Das Ortszentrum Kattenvennes in den 1930er Jahren. Foto: Sammlung Jens Taßemeyer.
Doch ohne einen eigenen Bahnhof wäre die Entwicklung Kattenvennes sicherlich anders verlaufen. Ein solcher war aber anfänglich gar nicht geplant gewesen. Lediglich in Westbevern sah man zwischen Münster und Lengerich eine Haltestelle vor. Dass Kattenvenne letztlich doch eine eigene Station erhielt, ist den örtlichen Landwirten zu verdanken. Die Bauern Schmitte, Daweke und Worpenberg (Ringel) sowie Hußmann (Meckelwege) hatten der Eisenbahngesellschaft in Aussicht gestellt, den für die Anlage einer Haltestelle in Kattenvenne erforderlichen Grund und Boden kostenlos zur Verfügung zu stellen oder den Kaufpreis zu erstatten. Dafür erwarben sie die notwendigen Flächen von Neseker (Ringel) sowie Hilgemann und Oslage (Kattenvenne). 1870 fiel dann nach einigem Hin und Her schließlich die Entscheidung: Kattenvenne sollte doch einen eigenen Bahnhof erhalten! Nachdem zunächst 1871 ein provisorischer Bau errichtet worden war, wurde das heutige Bahnhofsgebäude 1873 fertiggestellt. Das muss damals noch ein merkwürdiges Bild gewesen sein, denn die Haltestelle stand buchstäblich „allein auf weiter Flur“. Lediglich das heutige Haus Lienener Straße 3 befand sich bereits dort. Die übrigen Gebäude und die Kirche folgten erst im Anschluss.
Wie prägend der Bahnhof für die Geschichte Kattenvennes gewesen ist, zeigt sich auch am Sprachgebrauch: Die westlich der Bahn beheimateten Kattenvenner wohnten ab 1871 „Achter de Bahn“, die östlich der Strecke lebenden Bewohner „Up‘n Bahnhoff“. Auch heute noch werden Kattenvenne-Ost und -West ausgeschildert. Die Bahnstrecke prägt den Ort also seit 150 Jahren bis heute.
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