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Vom Mühlenteich zum touristischen Anziehungspunkt

Geschichte des Lienener Dorfteiches reicht weit zurück





Von Dr. Christof Spannhoff


Er ist heute Teil der „guten Stube“ des Ortes: der Lienener Dorfteich. In seinem Umfeld finden zahlreiche Veranstaltungen wie der Weihnachtsmarkt, der Sonnenblumenmarkt, die Kirmes oder das Schützenfest statt. Seit 1950 wurde hier auch in regelmäßigen Abständen die Feuer- und Wasserrevue der Lienener Feuerwehr durchgeführt, die man 1992 in „Bombeiros-Show-Night“ umbenannte, aber nach dem 100. Geburtstag der Wehr 2009 nicht mehr fortgesetzt wurde. Das Gewässer ist zudem Start- und Endpunkt des Barfußparks, der seit 2002 bei schönem Wetter zahlreiche Gäste von April bis Oktober in den staatlich anerkannten Erholungsort lockt. Das Corona-Virus bedeutet in diesem Jahr allerdings ein Aussetzen vieler Feste und Einschränkungen der Nutzung. Ein guter Grund, einmal einen Blick in die Vergangenheit des Dorfteiches zu werfen:

Im Lauf des letzten Jahrhunderts hat das Ensemble mehrmals sein Aussehen geändert. So hatte der Teich bis in die 1950er-Jahre hinein eine fast doppelt so große Ausdehnung als jetzt (aktuell etwa 1400 Quadratmeter) und war von verschiedenen hölzernen Zaunarten umgeben – zuletzt bis Anfang der 1970er-Jahre von einem klassischen Jägerzaun. Seine aktuelle Gestalt mit der inzwischen auch in die Jahre gekommenen Einfassung erhielt der Dorfteich von 1973 bis 1976 im Zuge der Ortskernsanierung. Ursprünglich war das Stillgewässer aber kein gestalterisches Landschaftselement, sondern es wurde als Mühlenteich angelegt. Der Dorfteich hatte also einst die Aufgabe, das Wasser des einlaufenden Baches zu stauen, um dadurch Antriebsenergie für das oberschlächtige Mühlrad der in seinem Süden liegenden Wassermühle zu gewinnen. Folglich wird er auf der ältesten detailgetreuen Abbildung des Ortskerns von 1792 auch als „Mühlenteich“ bezeichnet. Neben seiner Funktion als Wasserspeicher diente der Dorfteich darüber hinaus als Lösch- und Fischteich, wie die Bezeichnung „An Kriegen Fiskediek“ für das nördlich angrenzende Flurstück belegt (1828). Die Quelle des zulaufenden Baches, der 1797 „Quell-Bach“, im Urkataster von 1828 „De Stolte Beeke“, später „Staubach“ heißt und 2005 in „Liene“ umbenannt wurde, liegt im Teutoburger Wald. Seinen Abfluss, der heute verrohrt ist, hatte der Teich gegenüber der heutigen Straße „Zum Teich“. Bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg existierte an dieser Stelle eine Brücke, unter der das Wasser durchfloss und das Mühlrad antrieb. Ebenfalls führte die Hauptstraße über eine Brücke. Von hier verließ das Wasser als offener Bach den Ort in südliche Richtung entlang der Schulstraße. Dass es sich beim Dorfteich um ein künstlich angelegtes und gestautes Gewässer handelt, hält der Straßenname „Diekesdamm“ in

Erinnerung. Die zugehörige Mühle ist die sogenannte „Püttkemühle“, weshalb der Teich auch „Püttkediek“ genannt wird. Diese Benennung, die sich bereits für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts nachweisen lässt, könnte andeuten, dass die Mühle trotz Stauteich keine ausreichende Wasserzufuhr aufwies, daher „püttkede“, also langsam ging. So deutet der niederdeutsche Sprachforscher Hermann Jellinghaus (1847–1929) den westfälischen Begriff „putkemüele“ als „unbedeutende Mühle, die nicht ständig Wasser hat.“ Pütkemühlen gab es nicht nur in Lienen, sondern auch in Herford („Putchemühle“), bei Petershagen-Döhren („Putkenmühle“) oder bei Freren im Emsland („Putkenmühle“). Über zu wenig Wasser konnten sich allerdings die unmittelbaren Anwohner am 23. Juni 2016 keineswegs beschweren, als der Lienener Dorfteich nach einem spektakulären Unwetterregen über die Ufer trat und die Wassermassen große Schäden anrichteten.

Ein älterer Name für die Anlage ist „Sürkenmühle“ (1676), weil sie damals zur Sürkenstätte gehörte, die sich an der Stelle der heutigen Gemeindeverwaltung an der Hauptstraße befand.

Durch den preußischen Mühlenzwang, der nur bestimmte Mühlen zum Malen von Getreide berechtigte, wurde die Sürkenmühle in den 1720er Jahren stillgelegt und verfiel. Auch der Mühlenteich fiel trocken, sodass in ihm jahrelang Kühe weideten. Erst 1752 wurde laut Grundstein die Mühle als Perl- und Schellgerstenmühle wieder in Betrieb genommen, das heutige Fachwerkgebäude dann 1845 errichtet.

Doch wie alt ist der Dorfteich? Die Mühle wird bereits 1369 erwähnt und gehörte ursprünglich sicherlich zu dem Fronhof des Reichsstift Herford, auf dessen Grund und Boden auch die erste Lienener Kirche errichtet wurde: dem sogenannten Ebdinghof (der ‚Hof der Leute der Abtei‘). Ob aber auch der zur Mühle gehörende Teich schon ins Mittelalter gehört, ist unsicher. Zwar gelangte die Wassermühlentechnik im 9. Jahrhundert auch nach Westfalen, doch werden die ersten Wassermühlen keinen oberschlächtigen Antrieb besessen haben, weshalb auch keine Mühlteiche zum Stau des Wassers nötig waren. Sicher nachweisen lässt sich der Dorfteich nach bisherigem Forschungsstand erstmals auf einer Karte von 1723.


Bildunterschriften


Dorfteich1

Der Lienener Dorfteich um 1900. Bild: Sammlung Spannhoff


Dorfteich2

Die Pütkemühle um 1900. Bild: Sammlung Spannhoff


Dorfteich3

Der Dorfteich auf einer Karte von 1723 ist der bisher älteste Beleg des Gewässers. Bild: Sammlung Spannhoff


Dorfteich4

Auf der detaillierten Ansicht Lienens von 1792 ist der Dorfteich als „Mühlenteich“ eingetragen. Bild: Sammlung Spannhoff

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